Samstag, 30. Oktober 2010

Reformationstag - Allerheiligen - Allerseelen


"Ich glaube an... die Gemeinschaft der Heiligen..."


Kirche als die Gemeinschaft der Heiligen
= Gemeinschaft am Heiligen (Eucharistie)
= Gemeinschaft der (von Gott) geheiligten Menschen
= Gemeinschaft der pilgernden, und der zu reinigenden, und der verherrlichten Glaubenden

„Wir glauben an die Gemeinschaft aller Christgläubigen:
- derer, die hier auf Erden pilgern;
- derer, die nach Abschluss des Erdenlebens geläutert werden;
- und derer, die die himmlische Seligkeit genießen;
sie alle bilden zusammen die eine Kirche.
Wir glauben desgleichen, dass in dieser Gemeinschaft die barmherzige Liebe Gottes und seiner Heiligen stets unseren Gebeten Gehör schenkt.“ (SPF 30 – Credo des Volkes Gottes: Feierliches Glaubensbekenntnis vom 30. Juni 1968 von Papst Paul VI.).

· Die pilgernde Kirche – ecclesia semper reformanda (Reformationstag)
Wallfahrten, Pilgerreisen... betonen das Unterwegssein des Volkes Gottes in dieser Erdenzeit – mit all seinen Freuden, Mühen, Enttäuschungen und all seinen Verirrungen (der Einzelnen, aber auch der Kirche als Ganzer).

„alle Kirchen müssen sich erneuern, damit die aus der Geschichte erwachsenen Differenzen eines Tages nicht mehr trennend seien.“ (Georg Kardinal Sterzinsky)

· Die zu läuternde Kirche – „Fegefeuer“ – Die „Dusche Gottes“ (Allerseelen)
Manchmal begegne ich der Aussage: eine Messe lesen lassen „für die armen Seelen“ –
Jedoch ist „Arme Seelen“ keine biblische Vorstellung.
Auch im Katechismus der katholischen Kirche findet sich diese Bezeichnung nicht.
Die sog. „armen Seelen“ sind mit Gott versöhnte, aber noch mit Sünden beladene Verstorbene, die ihre Sündenlast im Fegefeuer abbüßen.
Sie gehören schon zu den Auserwählten Gottes – ihnen gilt der herzliche Glückwunsch Jesu aus den Seligpreisungen. Sie müssen nur noch von dem gereinigt werden, was nicht zu der endgültigen Gemeinschaft mit Gott passt.
Die Kirche nennt diese abschließende Läuterung der Auserwählten (!) – die von der Bestrafung der Verdammten (= Hölle) völlig verschieden ist – Purgatorium [Fegefeuer].
„Purgatorium“ = kein „Vor-höllenfeuer“, sondern Feuer der Liebe Gottes oder: – „Die Dusche der Liebe Gottes, die allen Schmutz der Sünde hinweg wäscht.“

Daran denken wir, wenn wir am Allerseelentag aller Verstorbenen betend gedenken, die sich im Zustand der Reinigung befinden im Hinblick auf das himmlische Hochzeitsmahl. Wenn wir für Verstorbene beten, dann darum, dass sie bereit werden – wenn sie es noch nicht sind – für die Annahme dieser Liebe Gottes.

· Die Gemeinschaft mit den schon verherrlichten Gliedern der Kirche (Allerheiligen)
An Allerheiligen richtet sich unser Blick himmelwärts, auf alle diejenigen, die das Ziel ihrer irdischen Pilgerschaft – das himmlische Jerusalem schon erreicht haben – die große Gemeinschaft aller Heiligen.
Richtig verstanden ist die Verehrung der Heiligen ein Beitrag zur Verherrlichung Gottes. Denn in den Heiligen leuchtet jeweils etwas von der Fülle der Liebe Gottes auf.
Den vollendeten Heiligen ist der Zustand unserer Erde nicht egal. Im Gegenteil: „Ich werde meinen Himmel damit verbringen, auf Erden Gutes zu tun.“ – sagte einmal die kleine Theresia vom Kinde Jesu.
- Daher ist es sinnvoll um die Fürbitte der Heiligen zu beten, dass sie uns helfen auf dem Weg zur Vollendung;

· Die Gemeinschaft der Heiligen „im Himmel, auf der Erde und unter der Erde“
Blick auf das Eucharistische Hochgebet:
- „Gedenke deiner Kirche auf der ganzen Erde... = Blick auf die irdische Kirche mit ihren Ämtern u. Ständen
- „Gedenke aller unserer Brüder und Schwestern, die gestorben sind... = Blick auf die, die nach Abschluss des Lebens gereinigt werden...
- „Vater, erbarme dich über uns alle, damit uns das ewige Leben zuteil wird in der Gemeinschaft ... aller Heiligen = Blick auf die, welche schon die himmlische Seligkeit genießen,
zu der wir alle berufen sind, damit wir im Geist der Liebe Gott loben und preisen durch Jesus Christus, unseren Herrn.
Von Jesus angeschaut – Ansehen gewinnen

Jesus Christus ist das menschliche Antlitz Gottes. Wie Gott Menschen ansieht, was sein Blick an uns und an unseren Beziehungen bewirken und verändern kann, wird in der Begegnung zwischen Jesus und Zachäus sichtbar.

5x ist in diesem Textabschnitt vom „sehen“ die Rede und 1x vom „Hinaufschauen“ Jesu.

Siehe! – was es in dieser Geschichte zu entdecken gibt
Mit dem ersten „Siehe!“ lädt uns der Evangelist Lukas ein, auf diese Begegnung zwischen Jesus und dem Mafiaboss Zachäus zu schauen, um zu erkennen, was es in dieser uns (allzu bekannten) Geschichte vielleicht neu zu entdecken gibt.

Die positive Absicht des Zachäus
V 3: Er suchte Jesus zu sehen, wer er ist,
und konnte es nicht durch die Volksmenge, denn er war klein von Gestalt.
Der Wunsch Jesus zu sehen, ist der Antrieb für Zachäus. Zachäus ist klein. Das bezieht sich aber nicht nur auf seinen Wuchs, sondern auch auf seinen Charakter. Seine Position als Oberzöllner, der andere übervorteilt, macht ihn zu einem einsamen und unbeliebten Menschen – nicht ohne Grund.

Eine viel versprechende Aussicht
Der Wunsch ist sicher mehr als bloße Neugierde. Denn er entwickelt Phantasie, um das Handicap seiner geringen Größe zu kompensieren.
V 4 Und so lief er nach vorn voraus, stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum um IHN zu sehen.“
Alles Leben beginnt mit der Sehnsucht.
à Welche Phantasie habe ich und welche Schritte unternehme ich, um Jesus heute entdecken zu können?

Wen Jesus anschaut – der gewinnt an Ansehen
Und als er an den Ort kam, sah Jesus auf und sprach zu ihm:
Zachäus steig schleunigst herab…
Jesus nimmt Zachäus wahr. Er schaut zu ihm auf. Nicht an ihm vorbei, nicht auf ihn herunter wie andere. Das ist ein anderer Blick, als ihn die Menschen anschauen. Das kleine Wort „Hinauf-schauen“ ist nicht nur räumlich zu sehen, sondern meint auch, dem anderen ein neues „Ansehen“ schenken.
Jesus gibt dem Zachäus ein neues Gesicht und ein neues Ansehen. Zwischen den zwei Gesichtern kann sich Begegnung ereignen. Jesus schaut auf und Zachäus steigt herab vom Baum, zurück auf die Erde.

Das steht im Zentrum der Geschichte:
Jesus schenkt Ansehen – und die Antwort:
Zachäus nimmt ihn in sein Haus auf – mit Freuden.

Doch nicht alle sehen das positiv.
V. 7: „Als die Leute das sahen, empörten sie sich und sagten: Er ist bei einem Sünder eingekehrt.“
Sie sehen richtig – doch ihr Sehen ist nicht gut und bewirkt nichts Gutes.
Wer vor allem auf die Vergangenheit eines Menschen sieht, auf seine Schwächen, Fehler und große Schuld, dem wird der Blick verstellt für das, was in Zukunft an Gutem möglich ist.

Jesus verurteilt keinen Menschen – selbst diesen Mafiaboss Zachäus nicht, den viele Fromme heute am liebsten exkommunizieren würden, um deutlich zu zeigen, dass sie dessen verbrecherisches Handeln nicht billigen.
Jesus kommuniziert gerade mit ihm – er hält Mahlgemeinschaft mit ihm und sieht die ungeahnten Möglichkeiten zum Guten. Durch sein Verhalten wird Zachäus aus seinem bisherigen Lebenswandel „herausgeliebt.

Das neu geschenkte Ansehen – führt zum Einsehen
Zachäus gewinnt durch Jesus nicht nur neues Ansehen und Selbstvertrauen, sondern er gewinnt in der Begegnung mit Jesus auch einen neuen Blick auf sein Leben und seine Lebensmöglichkeiten. Er ist nun in der Lage, sich anders zu sehen. Er ist bereit zur Umkehr.
V. 8: Zachäus wandte sich an Jesus und sagte: „Siehe, Herr, die Hälfte meines Vermögens will ich den Armen geben
(= weit mehr als es das jüdische Gesetz erwartet)
und wenn ich von jemand zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück.
(weit mehr als zur Wiedergutmachung vorgeschrieben)

Und Jesus bekräftigt diese Verwandlung des Zachäus, indem er sagt:
„Heute ist die Rettung dieses Menschen geschehen!“

Das, was beim reichen Jüngling nicht gelungen ist, dass sich ein Reicher von seinem Reichtum trennt, das wird hier Wirklichkeit.
Damals hatte Jesus traurig gesagt:
Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher ins Himmelreich. – Hier nun dürfen wir erfahren, dass bei Gott nichts unmöglich ist, wenn ein Mensch erfährt, dass er – was immer auch gewesen ist – im Blick Jesu Ansehen gewinnt.

Auch du kannst neues Ansehen und Einsehen gewinnen
Die Einsicht, für die Lukas uns mit diesem Evangelium die Augen des Herzens öffnen möchte ist:
V. 10 „Der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.“

Er will auch dich entdecken, in all deinen Verstecken, hinter denen du deine Schwächen verbirgst.
Weiche seinem Blick nicht aus – er verurteilt nicht, sondern er schenkt auch dir neues Ansehen.
Wer dann – wie Zachäus – Jesus wirklich in sein Leben hineinlässt, der kann ungeahnte Verwandlungen zum Guten erleben.

Sonntag, 19. September 2010

Lazarus - vor unserer Tür

Die Geschichte vom reichen Prasser und dem elenden Lazarus – ein Warnschild für die Frommen

Geschichten von Menschen am Himmelstor...
beschreiben nicht den Himmel oder die Hölle, wie sie sind, sondern werden erzählt, um uns für unser Leben hier auf Erden eine Warnung zu geben, worauf es in diesem Leben wirklich ankommt im Hinblick auf das ewige Leben.

Jesus erzählte gerne Geschichten...
Wenn Jesus Gleichnisse erzählte, dann wollte er den Menschen deutlich machen, worauf es im Reich Gottes ankommt.
Manchmal griff er auch bekannte Geschichten auf und veränderte sie, sodass sie eine Aussage erhielten, welche seine Zuhörer aufhorchen ließen.

So auch in diesem Gleichnis, wo er eine bekannte Geschichte aufgriff, die von unterschiedlichen Lebensweisen hier auf Erden und vom zu erwarteten Lohn im Himmelreich erzählte.
Doch sein Gleichnis endet anders als erwartet.
... Was die Menschen für großartig halten,
das ist in den Augen Gottes ein Gräuel. (Lk 16,15)

Besonders den Pharisäern, die verliebt waren in Geld und Besitz erzählte Jesus das Gleichnis vom reichen Prasser und dem armen Lazarus.

Der Reiche, der nichts Böses getan hat, der vielmehr seinen Wohlstand mit Gleichgesinnten bei festlichen Mahlzeiten teilt, hatte im Denken damals, wo Reichtum bei Juden als Zeichen des Segens Gottes verstanden wurde, nichts Schlimmes zu erwarten.

Der elende Lazarus, der mit Geschwüren bedeckt und von Straßenkötern abgeleckt wurde, er ist buchstäblich „auf den Hund gekommen“. Ein solcher Mensch galt den Frommen (Pharisäern) als unrein und verabscheuungswürdig. Mit ihm durfte man keinen Kontakt haben, um nicht selber unrein zu werden. Man stellte sich die Frage, ob er selbst (oder vielleicht seine Vorfahren) gesündigt hatten, dass Gott sie auf diese Weise mit Leid bestrafte.

Doch gerade dieser Lazarus (sein Name bedeutet: Gott hilft) bekommt einen Ehrenplatz an der Seite Abrahams,
während der reiche Prasser, sich in den Feuern der Unterwelt (= Fegefeuer, nicht Hölle!) wiederfindet.
"Fegefeuer" (lateinisch: Purgatorium = Reinigungsort) ist der Zustand, wo der Mensch von dem, was nicht für den Himmel tauglich ist, gereinigt wird.
Bsp. Wenn Kinder - vom Spiel draußen total verschmutzt nach Hause kommen, müssen sie zuerst ihre Klamotten ausziehen und "ab unter die Dusche!" - erst dann sind sie rein für die gute Stube.

So möchte ich uns im Großen und Ganzen ganz anständigen Menschen eine Geschichte erzählen, die – wie ich meine – ganz im Sinne des Gleichnisses Jesu vom reichen Prasser und dem armen Lazarus ist.

--> “Der gute Mensch am Höllentor“

Die Hölle war total überfüllt, und noch immer stand eine lange Schlange am Eingang. Schließlich musste sich der Teufel selbst herausbegeben, um die Bewerber fortzuschicken. „Bei mir ist alles so überfüllt, dass nur noch ein einziger Platz frei ist.“, sagte er. „Den muss der ärgste Sünder bekommen.
Sind vielleicht ein paar Mörder da?“ Da forschte er unter den Anstehenden und hörte sich deren Verfehlungen an. Was auch immer sie ihm erzählten, nichts schien ihm schrecklich genug, als dass er dafür den letzten Platz in der Hölle hergeben mochte. Wieder und wieder blickte er die Schlange entlang. Schließlich sah er einen, den er noch nicht befragt hatte.
„Was ist eigentlich mit ihnen – dem Herrn, der da für sich alleine steht? Was haben Sie getan?“ „Nichts“ sagte der Mann, den er so angesprochen hatte.
„Ich bin ein guter Mensch und nur aus Versehen hier. Ich habe geglaubt, die Leute würden hier um Zigaretten anstehen.“
„Aber Sie müssen doch etwas getan haben“, sagte der Teufel, „jeder Mensch stellt etwas an.“ „Ich sah es wohl“, sagte der ,gute Mensch‘, „aber ich hielt mich davon fern. Ich sah, wie Menschen ihre Mitmenschen verfolgten, aber ich beteiligte mich niemals daran. Sie haben Kinder hungern lassen und in die Sklaverei verkauft; sie haben auf den Schwachen herumgetrampelt. Überall um mich haben Menschen von Übeltaten profitiert. Ich allein widerstand der Versuchung und tat nichts.“

„Absolut nichts?“, fragte der Teufel ungläubig. „Sind Sie sicher, dass Sie das alles mitangesehen haben?“ „Vor meiner Tür“, sagte der ,gute Mensch‘. „Und nichts haben Sie getan?“ wiederholte der Teufel. „Nein!“
„Komm herein mein Sohn, der Platz gehört dir!“ Und als er den ,guten Menschen‘ einließ, drückte sich der Teufel zur Seite, um nicht mit ihm in Berührung zu kommen.

Fazit: „Ich habe doch nichts getan!“ – eben deshalb! Komm herein!

Zusätzliche Warnschilder unnötig
Auf die Bitte des reichen Mannes im Gleichnis Jesu: Abraham solle den Lazarus zu seinen 5 Brüdern schicken, damit sie gewarnt werden, sagt Abraham: "Sie haben Mose und die Propheten. Auf sie sollen sie hören!" – Ein zusätzliches Zeichen: Die Auferweckung des Lazarus würde diesen Brüdern auch nicht zur Umkehr bewegen. Auch wir brauchen keine besondern Privatoffenbarungen oder Erscheinungen, um Gottes Willen erkennen zu können. Denn das Wort der Bibel und besonders die Lebensweise des menschgewordenen Wortes Gottes zeigen sonnenklar den Willen Gottes:

„Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist
und was der Herr von dir erwartet:
Nichts anderes als dies:
Recht tun, Güte und Treue lieben,
in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott.“
(Mi 6,8)

Wir Christen haben dazu noch das Evangelium Jesu Christi.
Die Moslems haben den Koran.
Überall gehört zum Kern dieser göttlichen Überlieferungen das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe.


Was brauchen wir mehr, damit uns Augen, Herz und Hände geöffnet werden?

Sonntag, 11. Oktober 2009

Predigt zu Mk 10,17-27: Reichtum loslassen - sich auf Jesu Weg einlassen


Besitzverzicht - Lebensgewinn
oder:
„Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr -
als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt“

Liebe Schwestern und Brüder, «Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher in das Reich Gottes kommt». Ein bekannter Spruch aus der Bibel, oft zitiert. Doch bis heute wird gerätselt, was denn genau mit diesem Sprichwort gemeint ist.
- Wenn mit „Nadelöhr“ das winzige Loch in einer Nadel aus dem Nähkästchen gemeint ist, dann ist dieser Spruch ein Ausdruck für etwas ganz und gar Unmögliches. (So wie z.B. das „Braten eines Schneeballs“ unmöglich ist)
- Wenn man statt Kamälion (= Kamel) Kamilion (= Schiffstau) liest, dann ist es nur möglich, wenn das Schiffstau in seine einzelnen Fäden zerlegt wird...
- Eine andere Erklärung scheint mir jedoch einleuchtender zu sein, was Jesus mit diesem Spruch meint.

Zu der Zeit Jesu waren die Städte von einer Stadtmauer umgeben, in der es breite Stadttore gab. Diese Tore wurden jedoch bei Sonnenuntergang zum Schutz der Stadtbewohner verriegelt und verrammelt. Wer zu spät kam, musste mit seiner Karawane und seinen kostbaren Waren draußen bleiben.

Jedoch gab es in diesen großen Toren eine kleine, schmale Pforte, die auch abends noch geöffnet werden konnte, durch die nur ein Fußgänger hindurch kommen konnte:

Diese kleine Pforte soll im Volksmund „Das Nadelöhr“ geheißen haben.

Mit diesem Wissen im Hintergrund lässt sich besser verstehen, was Jesus meint, wenn er sagt:
„Müheloser geht ein Kamel durch das Nadelöhr hindurch, als dass ein Reicher in das Reich Gottes hineinkommt.“

Wenn ein – mit Schätzen schwer beladenes – Kamel durch „das Nadelöhr“ gelangen sollte, um in der Nacht vor umherziehenden Räuberbanden in Sicherheit gebracht zu werden, musste zuerst von seinem Besitzer der ganze Besitz abgeladen werden. Nur ganz ohne Gepäck konnte es mit Mühe durch diese enge Pforte hindurch kommen.

Ein reicher Kaufmann musste sich also entscheiden: Möchte ich die Nacht hier draußen verbringen, bei meinen mit kostbaren Waren beladenen Kamelen? Oder möchte ich lieber mein Leben in Sicherheit bringen und ohne den kostbaren Besitz durch das Nadelöhr in die Stadt hineingehen?

• Was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?
für einen Reichen: tun = etwas erwerben
für Jesus: tun = etwas loslassen

Ein Blick auf meinen Apfelbaum – er gibt seine Früchte her wenn die Zeit dafür reif ist…

Das ist also die entscheidende Frage heute an uns:
Können wir los-lassen, was uns kostbar und wertvoll geworden ist?
• Wenn Besitz einen besetzt hält
Jesus verurteilt nicht, dass einer Besitz hat. Denn dadurch kann er ohne Sorge um das tägliche Brot leben.
- Wo jedoch Besitz angehäuft wird und so zum Reichtum wird, da verstärkt sich der Hang zur Maßlosigkeit: "Je mehr man hat, je mehr man will."
- Wer gar nur noch ans Festhalten des Besitzes denkt: "Geiz ist geil!" - der verlernt es zu genießen.
- Der Besitz kann auch eine andere Sorge vergrößern - ihn sichern zu müssen, um ihn nicht mehr zu verlieren.

Schließlich besitzt nicht der Mensch seine Güter, sondern die Sorge um seine Güter hält ihn besetzt.

• Seinen Besitz loslassen - neue Lebensqualität gewinnen
"Wie schwerlich ist es für Menschen, die viel besitzen,
in das Reich Gottes zu kommen. - Leichter geht ein Kamel durch das Nadelöhr hindurch als dass ein Reicher in das Reich Gottes hineingeht."

Ein Rechter Gebrauch seines Besitzes verlangt ein Loslassen des Besitzes durch ein sinnvolles "Verbrauchen" oder Verschenken.

Kinder lernen schnell, festzuhalten, das Los-lassen müssen wir ein Leben lang einüben.
- z.B. wie schwer fällt es manchen, die vor einem übervollen Kleiderschrank stehen, sich von den „guten alten Schätzchen“ zu trennen – man könnte es ja noch ‚mal brauchen…
- oder wie schwer fällt es mir, mich von Büchern zu trennen…
Doch es ist gut, frühzeitig das „Los-lassen“ einzuüben, dann fällt es uns einmal in der Todesstunde leichter…

Vielen fällt es schwer, auf etwas Lieb gewordenes zu verzichten; jedoch fällt es leichter, wenn das Ziel verheißungsvoll ist.

Dazu zum Abschluss eine kleine Beobachtung, die ich vor Jahren gemacht habe, als ich einmal zwei Kindern auf dem Spielplatz beim Spiel zuschaute.
Sie spielten im Sandkasten zusammen mit ihren Spielsachen. Plötzlich kam es zum Streit. Das ist „mein Bagger“ – nein, meiner… Jeder betrachtete das Spielgerät als seinen Besitz, den es auf keinen Fall abgeben wollte.
Doch plötzlich kam der Opa von dem einen Kind um die Ecke und sogleich ließ das Kind das Spielgerät liegen und rannte auf den Opa zu, von dem es wusste, dass er immer für eine schöne Überraschung gut war.

Wer seinen Besitz im entscheidenden Augenblick loslassen kann, der ist offen für den Empfang von neuem Leben.




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Gedanken – Meditationen – Einblicke


© Georg Michael Ehlert


(c) G. M. Ehlert




Sonntag, 13. September 2009

Du bist der CHRISTUS - ein Bekenntnis mit Konsequenzen



1. Was sagt ihr, wer Jesus ist, welcher der Christus genannt wird? Jede Zeit der Kirchengeschichte hat bestimmte Schwerpunkte gesetzt:
Jesus = der Christus (1. – 2. Jh.)
Christus, der Gute Hirt (3. Jh. -
Christus, Lehrer der göttlichen Wahrheit (4. Jh. –
Christus, der Herrscher (Pantokrator) (6. Jh. –
Christus, der Leidenskönig am Kreuz (12. Jh. –
Christus, der Bruder im Elend (14. Jh. –
Christus, der Weltenrichter (16. Jh. –
Christus, der Unerkannte (17. Jh. –
Christus, Ereignis der frommen Erbauung (19. Jh.)
Christus, im 20. Jh. ? – Und heute?

2. Seit 50 Jahren ist unsere Pfarrgemeinde eine „Christus-König-Gemeinde“In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte der Titel: „Christus-König“ geradezu Hochkonjunktur.
1925 führte Papst Pius XI. ein eigenes Christkönigsfest ein in der Überzeugung, „dass das wirksamste Heilmittel gegen die zerstörenden Kräfte der Zeit die Anerkennung der Königsherrschaft Christi sei.“
Und die Gemeinde in Gemen trägt diesen Titel: Christus – König seit 1959 in ihrem Pfarrnamen.
- eine programmatische Aussage?! – „Durch Maria zu Christus“

3. Christus = König? Doch was sagt uns dieser Titel „Christus – König“ heute? – Passt dieser Titel Jesu noch in die heutige Zeit der Demokratien?

Kinder und Jugendliche habe ich einmal gefragt, was ihnen zu dem Wort „König“ einfällt. Spontan sagten sie:
- Schützenkönig,- Märchenkönig, das Königshaus in England mit all seinem Prunk. ...
Von diesen Königen lässt sich nur schwer auf das Königtum Christi schließen.

Christus – König = eine Aussage, die auch von den Jüngern zunächst missverstanden wurde. Jesus korrigiert mit scharfen Worten das irreführende Verständnis des Apostels Petrus…

4. Christus = König auf dem Kreuzesthron
Jesus vermeidet den Titel „Messias“ = König, er zieht sich zurück, wenn Menschen ihn zum König machen wollen;

Erst nach seiner Verhaftung beim Verhör durch Pilatus hören ihn zu Pilatus sagen: „Ja, ich bin ein König. Doch mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Joh 18).
Als machtloser Gefangener entschließt er sich, offen sein Königtum zu verkünden. Denn erst jetzt ist jedem Missverständnis bei diesem Titel die Grundlage entzogen.

„Christus – ein König, der frei macht“Von dem Messias-König erwarteten die Juden, dass er die Macht hat, sein Volk aus der Unterdrückung durch die Römer zu befreien,  ein solcher König ist Jesus nicht, der mit einer gewalttätigen Revolution sein Volk befreit; er lässt sich vielmehr besiegen und am Kreuz töten, um so die Menschen aus der Versklavung durch die Sünde zu befreien.

Von dem Messias-König wurde auch erwartet, dass er die Weisheit besitzt, gerechte Gesetze zu erlassen  doch Christus lässt sich als Narr von den Soldaten verhöhnen;

und von einem Messias-König wurde erwartet, dass er großherzig ist und die Menschen begnadigt, wenn ihre Schuld zu groß ist zur Wiedergutmachung.  Christus zeigt seine Größe in der Erniedrigung: Er begnadigt den Schächer am Kreuz, der ihn darum bittet und öffnet ihm die Tür zum Himmel.

5. Christen = Königskinder in der Kreuzesnachfolge JesuUnd Christus lädt seine Jünger – und heute uns – ein, ihn auf diesem Königsweg der Erlösung nachzufolgen.

Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber sagte einmal sehr deutlich:
„Es gibt nur eine wirkliche Sünde,
zu vergessen, dass jeder ein Königskind ist.“

Wenn das stimmt, dann werden wir in dem Augenblick wahrhaft freie Menschen, indem wir erkennen, dass wir aufgrund von Taufe und Firmung Königskinder geworden sind und dass wir teilhaben am Königtum Christi, wenn wir den Frieden Christi in uns herrschen lassen.

Im Blick auf Christus, den König auf dem Kreuzesthron, werden wir frei
von unseren evtl. falschen Gottesvorstellungen.
Gott ist Melech – d.h. ein König, nicht wie ein verzehrender Moloch, der Menschenopfer fordert, für diesen Gott muss der Mensch nicht „malochen“, d.h. sich verausgaben, um ihn zufriedenzustellen. Der Christus-König verlangt vielmehr die Abkehr vom „Moloch-Götzen“. Er schenkt sich uns vielmehr selber ganz.

Im Blick auf Christus, den König auf dem Kreuzesthron wird der Mensch befreit auch von einem falschen Menschenbild. Nicht weltliche Macht, nicht großes Ansehen bei den Menschen, nicht großer Reichtum können letztlich das Ziel menschlichen Lebens sein.

Der Mensch wird nicht nur frei von Sünde und falschen Abhängigkeiten und Vorstellungen,
sondern er wird auch frei zum Einsatz des Lebens aus Liebe für andere.

Wer Christus als seinen König anerkennt, der beugt in seinem Leben nur vor ihm die Knie zur Anbetung - und niemals vor einem der Mächtigen in der Welt,
aber stets für den Menschen, um ihm in der Liebe Christi zu dienen. Darin zeigt sich, dass er ein wahres Königskind ist.




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Gedanken – Meditationen – Einblicke


© Georg Michael Ehlert


(c) G. M. Ehlert




Sonntag, 9. August 2009

Predigtgedanken zu Joh 6,51-58


„Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt...“

1. Aufruf zu Kannibalismus?
- wenn jetzt in unserem Gottesdienst einer unter uns ist, der nicht vertraut ist mit dem christlichen Glauben, der müsste eigentlich die Stirn runzeln und völlig irritiert seinen Banknachbarn fragen:
„Seid ihr Christen etwa Kannibalen, die das Fleisch Christi essen
und seid ihr Vampire, die das Blut Christi trinken???“

à „Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?“ – Zu einer heftigen Auseinandersetzung über diese Frage kam es jedenfalls bei der Predigt Jesu in der Synagoge in Kapharnaum.

Wie können wir dieses Anstoß erregende Wort Jesu richtig verstehen:
"Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt,
hat das ewige Leben."

2. kein Sonntagsbraten, sondern Jesu Lebenshingabe ist gemeint

· Menschenfleisch essen = Kannibalismus?
europ. Denken: analytisch: Hand = Körperteil;
hebr. Denken: personal: Hand = Handeln des Menschen - der Mensch unter einem besonderen Aspekt gesehen:
So z.B. auch in vielen deutschen Redewendungen.
Er ist die rechte Hand seines Chefs d.h. er ist ein vertrauter Mitarbeiter,
der große Verantwortung trägt.

Fleisch nicht im griechischem, sondern im hebräischen Verständnis:
Der Mensch in seiner Schwachheit, Hinfälligkeit, Sterblichkeit

· Jesu Fleisch essen (zerkauen)? = ganz in sich aufnehmen
= eins werden mit der Lebenshingabe Jesu
(Verstehen wir die Sprache der Liebe: Ich habe dich "zum Fressen gern" - ich möchte, dass wir eins werden, ich möchte, dass mir deine Gegenwart ganz "in Fleisch und Blut" übergeht)

3. Wie kann ER uns sein Fleisch zu essen (=verzehren) geben? – Speise für’s ewige Leben?

In der Eucharistischen Rede im Johannesevangelium zeigt Jesus das Einzigartige der göttlichen Liebe auf. In diesem Geheimnis offenbart sich das Besondere des christlichen Glaubens.
Zum Verhältnis von Gott zu uns Menschen - gibt das Johannesevangelium Antwort auf

4 Missverständnisse:

· 1. Gott gibt Geschenke (wie das Manna), das heißt: er gibt etwas, aber er gibt nicht sich selbst.
Er bleibt wie ein König dieser Welt oben. So die übliche Vorstellung.

Jesus dagegen lebt, was er sagt:
"Ich bin das lebendige Brot,
das vom Himmel herabgekommen ist."

In Jesus Christus mischt sich Gott selbst wie ein Sauerteig in das irdisch-sterbliche Leben der Menschen hinein, um es von innen her mit seinem göttlichen Leben zu durchsäuern.

· 2. Gott spricht durch sein Wort den Geist des Menschen an, der Körper mit seinen Trieben und seiner Schwachheit sei zweitrangig. So die gängige Vorstellung bei vielen.

In Jesus dagegen ist Gottes ewiges Wort "Fleisch" geworden, d.h. ein schwacher, sterblicher Mensch. Und er sorgt nicht nur dafür, dass der Mensch mit seinem Verstand an Gottes Wort glaubt, sondern er sorgt für die Stärkung des ganzen Menschen:
"Wer von diesem Brot isst (wörtlich: zerkaut), wird leben in Ewigkeit."

Es reicht nicht, dass der Mensch "nur" an Gottes Wort glaubt, er soll es ganz und gar in sich aufnehmen

· 3. In allen Religionen hat zuerst der Mensch Gott etwas darzubringen: ein Menschen- oder Tieropfer; oder das Opfer des Lobes und Dankes, dann darf er darauf hoffen, von Gott etwas zu erhalten.

Ganz anders bei Jesus: Er bietet sich zuerst selber uns dar. Er lässt sich ganz von der Not der Menschen verzehren. Und er fordert uns auf, dieses Geschenk seiner Liebe anzunehmen, ja es ganz in sich aufzunehmen wie eine stärkende Speise.
"Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst (=zerkaut) und sein Blut (den göttlichen Lebenssaft) nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch"

Das Fleisch Jesu essen, sein Blut trinken bedeutet:
nicht nur die Denkweise Jesu sich zu eigen machen,
sondern ganz die Handlungs- und Lebensweise Jesu in sich aufnehmen und sie sich zu eigen machen.

· 4. Heißt Vereinigung mit Gott nicht totales Aufgehen im anderen und Verlust der eigenen Identität? - So verstehen es viele Religionen auch heute noch.

Doch die Kommunion mit Jesus bewirkt etwas anderes: ein gegenseitiges Übereinstimmen bei Bewahrung der eigenen Identität:
"Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt,
der bleibt in mir und ich bleibe in ihm." -

Keiner von beiden wird ausgelöscht.

4. Welche Nahrung ist wirklich gut für uns?
Die Jünger Jesu und die an Christus Glaubenden haben glaubend erkannt:
"Sein Fleisch ist wirklich eine Speise,
und sein Blut ist wirklich ein Trank!"
Die Teilhabe an der Lebenshingabe Jesu Christi ist wirklich das, was unser Leben mit Sinn und Kraft erfüllt.

5. Das Vermächtnis der Liebe Jesu
und der damit verbundene Auftrag wird den Jüngern beim Letzten Abendmahl anvertraut, wenn Jesus sagt:
"Tut dies zu meinem Gedächtnis!"
Damit meint er nicht nur die Wiederholung einer heiligen Zeremonie, wie sie auch heute in der Eucharistiefeier geschieht, sondern er meint damit vor allem:
"Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe."
D.h. Werdet selber mit eurem ganzen Leben Brot für andere.

Ein Liedvers erinnert uns daran mit folgenden Worten:

"...Wer dies Geheimnis feiert, soll selber sein wie Brot,
so lässt er sich verzehren von aller Menschen Not.
Geheimnis des Glaubens: Im Tod ist das Leben!"

Sonntag, 7. Juni 2009

zum Dreifaltigkeitssonntag 07. Juni 2009

„…den Geist empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater!"

Zwei Kinder spielen vor der Marienkirche als ein frisch vermähltes Brautpaar mit der Hochzeitsgesellschaft aus der Kirche herauskommt. Du – sagt das eine Kind zum andern – sollen wir die Leute einmal schocken? – Wie willst du das denn machen? – Ganz einfach, ich gehe zum Bräutigam und sage ganz laut: „Hallo Papa!“

So schockierend muss es in den Ohren der Menschen geklungen haben, als Jesus den einen Gott, dessen Namen Jahwe fromme Juden bis heute aus Ehrfurcht nicht auszusprechen wagen – ganz ungeniert „Abba, Papa!“ nannte.
Das bedeutet doch: Jesus behauptet, dass er Sohn Gottes ist. Und weil Jesus an dieser Behauptung festhielt, musste er dies mit dem Tod am Kreuz bezahlen. Und mit der Auferweckung Jesu hat dieser Gott bestätigt, dass dieser Jesus wahrhaft Gottes Sohn ist. Und – so hat es Jesus seinen Jüngern aufgetragen: Ihr dürft genauso aus dieser Überzeugung – aus diesem Geist - leben, dass Gott euer „Papa“ ist.

In diese Wirklichkeit sind auch wir hineingetaucht worden als wir getauft wurden im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Diese Summe des christlichen Glaubens will das heutige Dreifaltigkeitsfest beleuchten.
Ein merkwürdiger Titel und ein merkwürdiges Fest.
Wir feiern heute nicht die Erinnerung an ein besonderes Ereignis im Leben Jesu oder im Leben der Kirche.
Wir feiern unser Glaubensbekenntnis.

1. Es gibt nur einen einzigen Gott
„Ich glaube an den einen Gott...“
Damit beginnt unser Glaubensbekenntnis.
Und dieser Glaube an den einen Gott verbindet uns mit den Juden und mit den Moslems.
Die Juden bekennen mit Mose:
„Jahwe ist der Gott im Himmel droben
und auf der Erde unten, keiner sonst.“
Und von diesem Gott bekennen sie (und auch wir):
„ Jahwe ist ein barmherziger und gnädiger Gott,
langmütig, reich an Huld und Treue.“
Und auch die Moslems bekennen sich zu diesem einen Gott, den sie Allah nennen. „Es gibt keinen Gott außer Allah.“

Doch weder Juden noch Moslems können von ihrem Glauben her verstehen, dass auch wir Christen an den einen Gott und nicht etwa an drei Götter glauben, wenn wir uns zu Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist bekennen.

Der Glaube an den einen Gott verbindet uns mit Juden u. Moslems – der Glaube an den dreifaltigen Gott trennt uns.

2. Schwierigkeit, das Geheimnis der Dreifaltigkeit Gottes zu verstehen
Wie soll das denkbar sein? Ein Gott in drei Personen.
Auch in unserem Erfahrungsraum gibt es das, dass 3 = 1 ist.
- z.B. Ein Raum = 3 Dimensionen: Höhe, Breite, Tiefe.

Das Bekenntnis zum dreifaltigen Gott ist keine Spekulation von klugen Theologen, die sich das ausgedacht haben, sondern zu diesem Glaubensbekenntnis ist es gekommen aufgrund der Erfahrungen, welche die Jünger Jesu mit dem lebendigen Gott gemacht haben. Es ist die Entfaltung des Satzes: „Gott ist die Liebe“.

3. Das Geheimnis der göttlichen Liebe ist für mich der Schlüssel, der mich hineingeführt hat in das Geheimnis des dreifaltigen Gottes.

- Nicht das Theologiestudium hat mich zu einem lebendigen Glauben geführt, sondern die Erfahrung einer lebendigen Glaubensgemeinschaft während meiner Studienzeit.
Die Nähe liebender Menschen hat in mir die Sehnsucht nach der Liebe Gottes geweckt. – Es war die Erfahrung, dass Gottes liebender Geist in unserer Studentengruppe lebendig war. – Der Heilige Geist - Gott in uns und zwischen uns.

- Die gemeinsame Suche nach den Glaubensquellen hat mich auch Jesus Christus entdecken lassen:
- in der Heiligen Schrift,
- in der Eucharistie,
- in den Menschen.
So habe ich erfahren: Christlicher Glaube braucht ein konkretes Gegenüber, er muss geerdet sein, damit er nicht schwärmerisch oder weltlos wird. – Jesus Christus - Gott, der uns gegenüber steht.

- Die Entdeckung Jesu Christi lässt mich auch erahnen, wer der verborgene Gott ist, den Jesus liebevoll Abba – Vater nennt.
Dieser väterlich/mütterliche Gott bleibt geheimnisvoll und verborgen, doch ist er offenbar geworden in Jesus.
(Wer mich sieht, sieht den Vater – sagt Jesus im Johannesevangelium).- Der Gott, der all unsere Vorstellungen übersteigt.

4. Der dreidimensionale Raum, in dem wir leben ist für mich ein Bild für den dreifaltigen Gott.
- Die Längendimension ist Jesus Christus. Er ist das Maß aller Dinge. Er ist das A und O. Der Anfang und das Ende.
- Die Breitendimension ist der Heilige Geist, der die Menschen miteinander verbindet zur Lebendigkeit und Dynamik des Glaubens.
- Die Höhen- oder Tiefendimension ist Gott, der verborgene Vater. Ihn können wir nicht sehen, aber in ihm ist unser Leben verwurzelt.
Diese drei verschiedenen Dimensionen geben unserem Leben Raum, Weite und Tiefe.

5. Ein solches „dreidimensionales“ Gottesbild hat für mich auch Konsequenzen für das Leben in der kirchlichen Gemeinde:
- Eine erste Konsequenz: Der Maßstab (die Längendimension) für alles Handeln ist Jesus Christus: „Was ihr einem der geringsten Brüder oder Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan.“ – Damit hat der Glaube auch eine politische Dimension: die solidarische Verbundenheit mit allen Menschen, besonders mit den Armen.
- Eine zweite Konsequenz: Die göttliche Atmosphäre (die Breitendimension) bewirkt der Heilige Geist. Er ruft uns auf zu einem geschwisterlichen Umgang miteinander, so dass in der Gemeinschaft von Christen die Liebe Gottes erfahrbar wird.
- Eine dritte Konsequenz: Die Aufgabe der Christen ist es, die Menschen aufmerksam zu machen mit der Höhen- bzw. Tiefendimension des Lebens. Hier zeigt sich die mystische Dimension des Glaubens, die betende Verbundenheit mit dem lebendigen Gott, dem Ursprung und Ziel des Lebens.

Gott ist die Liebe. Das ist der Kern unseres Glaubens an den dreifaltigen Gott. Und wer in dieser Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. – Amen.