Sonntag, 9. August 2009

Predigtgedanken zu Joh 6,51-58


„Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt...“

1. Aufruf zu Kannibalismus?
- wenn jetzt in unserem Gottesdienst einer unter uns ist, der nicht vertraut ist mit dem christlichen Glauben, der müsste eigentlich die Stirn runzeln und völlig irritiert seinen Banknachbarn fragen:
„Seid ihr Christen etwa Kannibalen, die das Fleisch Christi essen
und seid ihr Vampire, die das Blut Christi trinken???“

à „Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?“ – Zu einer heftigen Auseinandersetzung über diese Frage kam es jedenfalls bei der Predigt Jesu in der Synagoge in Kapharnaum.

Wie können wir dieses Anstoß erregende Wort Jesu richtig verstehen:
"Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt,
hat das ewige Leben."

2. kein Sonntagsbraten, sondern Jesu Lebenshingabe ist gemeint

· Menschenfleisch essen = Kannibalismus?
europ. Denken: analytisch: Hand = Körperteil;
hebr. Denken: personal: Hand = Handeln des Menschen - der Mensch unter einem besonderen Aspekt gesehen:
So z.B. auch in vielen deutschen Redewendungen.
Er ist die rechte Hand seines Chefs d.h. er ist ein vertrauter Mitarbeiter,
der große Verantwortung trägt.

Fleisch nicht im griechischem, sondern im hebräischen Verständnis:
Der Mensch in seiner Schwachheit, Hinfälligkeit, Sterblichkeit

· Jesu Fleisch essen (zerkauen)? = ganz in sich aufnehmen
= eins werden mit der Lebenshingabe Jesu
(Verstehen wir die Sprache der Liebe: Ich habe dich "zum Fressen gern" - ich möchte, dass wir eins werden, ich möchte, dass mir deine Gegenwart ganz "in Fleisch und Blut" übergeht)

3. Wie kann ER uns sein Fleisch zu essen (=verzehren) geben? – Speise für’s ewige Leben?

In der Eucharistischen Rede im Johannesevangelium zeigt Jesus das Einzigartige der göttlichen Liebe auf. In diesem Geheimnis offenbart sich das Besondere des christlichen Glaubens.
Zum Verhältnis von Gott zu uns Menschen - gibt das Johannesevangelium Antwort auf

4 Missverständnisse:

· 1. Gott gibt Geschenke (wie das Manna), das heißt: er gibt etwas, aber er gibt nicht sich selbst.
Er bleibt wie ein König dieser Welt oben. So die übliche Vorstellung.

Jesus dagegen lebt, was er sagt:
"Ich bin das lebendige Brot,
das vom Himmel herabgekommen ist."

In Jesus Christus mischt sich Gott selbst wie ein Sauerteig in das irdisch-sterbliche Leben der Menschen hinein, um es von innen her mit seinem göttlichen Leben zu durchsäuern.

· 2. Gott spricht durch sein Wort den Geist des Menschen an, der Körper mit seinen Trieben und seiner Schwachheit sei zweitrangig. So die gängige Vorstellung bei vielen.

In Jesus dagegen ist Gottes ewiges Wort "Fleisch" geworden, d.h. ein schwacher, sterblicher Mensch. Und er sorgt nicht nur dafür, dass der Mensch mit seinem Verstand an Gottes Wort glaubt, sondern er sorgt für die Stärkung des ganzen Menschen:
"Wer von diesem Brot isst (wörtlich: zerkaut), wird leben in Ewigkeit."

Es reicht nicht, dass der Mensch "nur" an Gottes Wort glaubt, er soll es ganz und gar in sich aufnehmen

· 3. In allen Religionen hat zuerst der Mensch Gott etwas darzubringen: ein Menschen- oder Tieropfer; oder das Opfer des Lobes und Dankes, dann darf er darauf hoffen, von Gott etwas zu erhalten.

Ganz anders bei Jesus: Er bietet sich zuerst selber uns dar. Er lässt sich ganz von der Not der Menschen verzehren. Und er fordert uns auf, dieses Geschenk seiner Liebe anzunehmen, ja es ganz in sich aufzunehmen wie eine stärkende Speise.
"Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst (=zerkaut) und sein Blut (den göttlichen Lebenssaft) nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch"

Das Fleisch Jesu essen, sein Blut trinken bedeutet:
nicht nur die Denkweise Jesu sich zu eigen machen,
sondern ganz die Handlungs- und Lebensweise Jesu in sich aufnehmen und sie sich zu eigen machen.

· 4. Heißt Vereinigung mit Gott nicht totales Aufgehen im anderen und Verlust der eigenen Identität? - So verstehen es viele Religionen auch heute noch.

Doch die Kommunion mit Jesus bewirkt etwas anderes: ein gegenseitiges Übereinstimmen bei Bewahrung der eigenen Identität:
"Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt,
der bleibt in mir und ich bleibe in ihm." -

Keiner von beiden wird ausgelöscht.

4. Welche Nahrung ist wirklich gut für uns?
Die Jünger Jesu und die an Christus Glaubenden haben glaubend erkannt:
"Sein Fleisch ist wirklich eine Speise,
und sein Blut ist wirklich ein Trank!"
Die Teilhabe an der Lebenshingabe Jesu Christi ist wirklich das, was unser Leben mit Sinn und Kraft erfüllt.

5. Das Vermächtnis der Liebe Jesu
und der damit verbundene Auftrag wird den Jüngern beim Letzten Abendmahl anvertraut, wenn Jesus sagt:
"Tut dies zu meinem Gedächtnis!"
Damit meint er nicht nur die Wiederholung einer heiligen Zeremonie, wie sie auch heute in der Eucharistiefeier geschieht, sondern er meint damit vor allem:
"Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe."
D.h. Werdet selber mit eurem ganzen Leben Brot für andere.

Ein Liedvers erinnert uns daran mit folgenden Worten:

"...Wer dies Geheimnis feiert, soll selber sein wie Brot,
so lässt er sich verzehren von aller Menschen Not.
Geheimnis des Glaubens: Im Tod ist das Leben!"