Sonntag, 11. Oktober 2009

Predigt zu Mk 10,17-27: Reichtum loslassen - sich auf Jesu Weg einlassen


Besitzverzicht - Lebensgewinn
oder:
„Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr -
als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt“

Liebe Schwestern und Brüder, «Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher in das Reich Gottes kommt». Ein bekannter Spruch aus der Bibel, oft zitiert. Doch bis heute wird gerätselt, was denn genau mit diesem Sprichwort gemeint ist.
- Wenn mit „Nadelöhr“ das winzige Loch in einer Nadel aus dem Nähkästchen gemeint ist, dann ist dieser Spruch ein Ausdruck für etwas ganz und gar Unmögliches. (So wie z.B. das „Braten eines Schneeballs“ unmöglich ist)
- Wenn man statt Kamälion (= Kamel) Kamilion (= Schiffstau) liest, dann ist es nur möglich, wenn das Schiffstau in seine einzelnen Fäden zerlegt wird...
- Eine andere Erklärung scheint mir jedoch einleuchtender zu sein, was Jesus mit diesem Spruch meint.

Zu der Zeit Jesu waren die Städte von einer Stadtmauer umgeben, in der es breite Stadttore gab. Diese Tore wurden jedoch bei Sonnenuntergang zum Schutz der Stadtbewohner verriegelt und verrammelt. Wer zu spät kam, musste mit seiner Karawane und seinen kostbaren Waren draußen bleiben.

Jedoch gab es in diesen großen Toren eine kleine, schmale Pforte, die auch abends noch geöffnet werden konnte, durch die nur ein Fußgänger hindurch kommen konnte:

Diese kleine Pforte soll im Volksmund „Das Nadelöhr“ geheißen haben.

Mit diesem Wissen im Hintergrund lässt sich besser verstehen, was Jesus meint, wenn er sagt:
„Müheloser geht ein Kamel durch das Nadelöhr hindurch, als dass ein Reicher in das Reich Gottes hineinkommt.“

Wenn ein – mit Schätzen schwer beladenes – Kamel durch „das Nadelöhr“ gelangen sollte, um in der Nacht vor umherziehenden Räuberbanden in Sicherheit gebracht zu werden, musste zuerst von seinem Besitzer der ganze Besitz abgeladen werden. Nur ganz ohne Gepäck konnte es mit Mühe durch diese enge Pforte hindurch kommen.

Ein reicher Kaufmann musste sich also entscheiden: Möchte ich die Nacht hier draußen verbringen, bei meinen mit kostbaren Waren beladenen Kamelen? Oder möchte ich lieber mein Leben in Sicherheit bringen und ohne den kostbaren Besitz durch das Nadelöhr in die Stadt hineingehen?

• Was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?
für einen Reichen: tun = etwas erwerben
für Jesus: tun = etwas loslassen

Ein Blick auf meinen Apfelbaum – er gibt seine Früchte her wenn die Zeit dafür reif ist…

Das ist also die entscheidende Frage heute an uns:
Können wir los-lassen, was uns kostbar und wertvoll geworden ist?
• Wenn Besitz einen besetzt hält
Jesus verurteilt nicht, dass einer Besitz hat. Denn dadurch kann er ohne Sorge um das tägliche Brot leben.
- Wo jedoch Besitz angehäuft wird und so zum Reichtum wird, da verstärkt sich der Hang zur Maßlosigkeit: "Je mehr man hat, je mehr man will."
- Wer gar nur noch ans Festhalten des Besitzes denkt: "Geiz ist geil!" - der verlernt es zu genießen.
- Der Besitz kann auch eine andere Sorge vergrößern - ihn sichern zu müssen, um ihn nicht mehr zu verlieren.

Schließlich besitzt nicht der Mensch seine Güter, sondern die Sorge um seine Güter hält ihn besetzt.

• Seinen Besitz loslassen - neue Lebensqualität gewinnen
"Wie schwerlich ist es für Menschen, die viel besitzen,
in das Reich Gottes zu kommen. - Leichter geht ein Kamel durch das Nadelöhr hindurch als dass ein Reicher in das Reich Gottes hineingeht."

Ein Rechter Gebrauch seines Besitzes verlangt ein Loslassen des Besitzes durch ein sinnvolles "Verbrauchen" oder Verschenken.

Kinder lernen schnell, festzuhalten, das Los-lassen müssen wir ein Leben lang einüben.
- z.B. wie schwer fällt es manchen, die vor einem übervollen Kleiderschrank stehen, sich von den „guten alten Schätzchen“ zu trennen – man könnte es ja noch ‚mal brauchen…
- oder wie schwer fällt es mir, mich von Büchern zu trennen…
Doch es ist gut, frühzeitig das „Los-lassen“ einzuüben, dann fällt es uns einmal in der Todesstunde leichter…

Vielen fällt es schwer, auf etwas Lieb gewordenes zu verzichten; jedoch fällt es leichter, wenn das Ziel verheißungsvoll ist.

Dazu zum Abschluss eine kleine Beobachtung, die ich vor Jahren gemacht habe, als ich einmal zwei Kindern auf dem Spielplatz beim Spiel zuschaute.
Sie spielten im Sandkasten zusammen mit ihren Spielsachen. Plötzlich kam es zum Streit. Das ist „mein Bagger“ – nein, meiner… Jeder betrachtete das Spielgerät als seinen Besitz, den es auf keinen Fall abgeben wollte.
Doch plötzlich kam der Opa von dem einen Kind um die Ecke und sogleich ließ das Kind das Spielgerät liegen und rannte auf den Opa zu, von dem es wusste, dass er immer für eine schöne Überraschung gut war.

Wer seinen Besitz im entscheidenden Augenblick loslassen kann, der ist offen für den Empfang von neuem Leben.




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Gedanken – Meditationen – Einblicke


© Georg Michael Ehlert


(c) G. M. Ehlert




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